Im November sind Bauarbeiter unmittelbar neben der Stadtkirche St. Georg auf einen einstigen Friedhof gestoßen. Seitdem sind fast täglich Archäologen vor Ort. „Wir haben eine Winterpause von Ende Dezember bis Mitte Januar gemacht. Ansonsten sind wir voll im Einsatz, wetterbedingt mussten wir den einen oder andern Tag mal pausieren“, sagt Archäologin Daniela Jäkel vom Grabungsbüro AST. Der Einsatz hat sich gelohnt: Mittlerweile konnten die Archäologen 275 Befunde verzeichnen – 220 davon sind Bestattungen.

„Die Skelette nehmen wir erstmal mit nach Schmölz in unsere Zweigstelle. Sie werden nach Vorgaben des Landesamts für Denkmalpflege fachgerecht gereinigt“, sagt die Grabungsleiterin. Die Skelette werden auseinandergelegt und in Euronormboxen gelagert. Das vollständige Skelett eines Erwachsenen passt in zwei große und eine kleine Box. 700 Boxen sind bereits befüllt. Die Reinigung sei sehr zeitintensiv. Im Anschluss werden die Skelette in München in der Anthropologischen Staatssammlung aufbewahrt. Die Bestattungsdichte auf dem ehemaligen Friedhof ist laut Daniela Jäkel hoch. „Die Mehrheit ist von Erwachsenen. Aber auch Kinder wurden hier begraben.“

Zwischen den Bestattungen haben die Archäologen Münzen gefunden, die zwischen 1600 und 1800 datiert sind. Laut Daniela Jäkel ist anzunehmen, dass die Skelette aus dieser Zeit stammen. Dass die Bauarbeiter auf einen Friedhof gestoßen sind, ist keine Überraschung. „Im Umfeld jeder Kirche gab es einen Friedhof“, teilte Dr. Ivonne Weiler-Rahnfeld vom Landesamt für Denkmalpflege unserer Zeitung zu Beginn der Grabungsarbeiten im November mit. Außerdem ist im Denkmalatlas vermerkt, dass sich ein Bodendenkmal mit Befunden aus dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit im Bereich der Evangelisch-Lutherischen Stadtpfarrkirche St. Georg befindet.

Neben den Skeletten, deren Körper mit dem Kopf nach Westen vergraben wurden, wurden auch Pfostengruben freigelegt. Das sind Eingrabungen, in die senkrecht stehende Holzpfosten gestellt wurden. „Die Funktion ist uns noch nicht ganz bekannt. Vielleicht waren die Pfostengruben für ein Baugerüst zum Aufbau der Kirche oder für eine ehemalige hölzerne Empore, die außen herum lief“, sagt Daniela Jäkel. Dass die Neustadter Stadtkirche früher anders aussah, ist bekannt. 1839 wurde sie durch einen großen Stadtbrand zerstört und später wieder saniert. Auch aus diesem Grund gibt es keine Kenntnisse über die genaue Lage und Größe des Friedhofes.

Auf dem westlichen Teil des ehemaligen Friedhofs sind die Ausgrabungsarbeiten zu 99 Prozent abgeschlossen. „Nach Pfingsten haben wir damit begonnen, den östlichen Teil auf Bauzieltiefe zu bringen.“ Bis Mitte August wollen Daniela Jäkel und ihr Team die Ausgrabungsarbeiten in Neustadt abschließen. „Wann wir fertig sind, kommt darauf an, wie viele Skelette noch im Boden sind und was wir sonst noch finden.“

Im Boden hinter der Kirche vermutet die Archäologin weitere Bestattungen. „Wenn hier bautechnisch noch etwas passiert, müsste die Fläche archäologisch bearbeitet werden. Wir graben nur das aus, was von Zerstörung betroffen ist“, sagt Daniela Jäkel, denn im Boden seien die Befunde am besten konserviert. Aus diesem Grund wird ausschließlich so tief gegraben, wie die Baufirmen für ihr Vorhaben ohnehin gegraben hätten. Wenn die Bauzieltiefe von rund 70 Zentimetern erreicht ist, ist Schluss. „Alles, was darunter liegt, bleibt im Boden.“

Cindy Dötschel, Coburger Tageblatt

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